Wenn man beginnt zu schreiben, hat man den Schauplatz seiner Geschichte meist klar vor Augen: Man kann sich vorstellen, wie das Zimmer des Hauptcharakters aussieht, an welcher Ecke der Straße die Bäckerei ist und auch, wie der Arbeitsplatz aussieht. Doch wie kommt der Hauptcharakter dorthin? Wie viel Zeit muss ein Charakter realistisch einplanen, um von A nach B zu gelangen? Und war das Bild über dem Sofa nicht in der letzten Szene noch eine Wüstenlandschaft und keine Blume?
Was ich mit diesen Beispielen verdeutlichen möchte: auch wenn euch zu Beginn klar ist, wie der Schauplatz eures Romans auszusehen hat: schreibt es euch auf! Macht euch Zeichnungen, nehmt einen realen Stadtplan, schießt Fotos von Schauplätzen, die ihr benutzen wollt! Wenn ihr mehrere Wochen lang schreibt (und das werdet ihr vermutlich tun müssen, so wie ich jetzt auch), dann spielt einem das Gedächtnis manchmal einen Streich und man baut Fehler in seinen Roman. Diese hinterher zu suchen ist lästig und außerdem möchte man ja ein möglichst gutes und fehlerfreies Buch schreiben, dass einen Verleger überzeugt.
Realistische Zeitschätzungen benötigen Wissen über die Umgebung
Ein detailliert ausgearbeiteter Schauplatz ist nicht nur wichtig, um offensichtliche Fehler zu vermeiden, sondern auch für realistische Zeitschätzungen. Warum braucht Hans 20 Minuten ins Krankenhaus, als seine Freundin einen Unfall hat, aber braucht morgens keine fünf Minuten zur Arbeit, die doch eigentlich viel weiter entfernt ist? Eure Handlung muss zum Schauplatz und dessen physikalischen Gegebenheiten passen!
Alle Möglichkeiten bedenken oder: wohin mit der Leiche?
Ein weiteres Beispiel, welches verdeutlichen soll, wie wichtig es ist, den Schauplatz sorgfältig auszuwählen und schon im Vorfeld an eure Geschichte anzupassen: Peter hat gerade seinen besten Freund umgebracht (es war ein Unfall, wirklich!) und möchte nun die Leiche loswerden. Nach langer Überlegung entschließt er sich, diese in den nahe gelegenen Fluss zu werfen. Das Problem? In den 200 Seiten vor dieser Szene, wurde der Fluss nicht ein einziges Mal erwähnt! Das passiert, wenn ihr bis dahin noch gar nicht wusstest, dass ihr ihn mal brauchen würdet, um eine Leiche loszuwerden. Die Lösung? Peter muss seinen Freund anderswo verschwinden lassen oder ihr schreibt nochmal den Anfang um und versucht irgendwie nebenbei zu erwähnen, dass neben Peters Haus ein Fluss mit einer reißenden Strömung fließt, in welcher immer mal wieder Leute zu Tode kommen. Klingt kompliziert? Ist es auch! Also lieber den Schauplatz genau planen, sobald ihr die Details eurer Geschichte kennt. Spätestens, wenn ihr eine Übersicht über die einzelnen Szenen schreibt, sollte der Schauplatz feststehen und detailliert festgehalten werden. Natürlich muss nicht jeder Baustein des Schauplatzes genutzt werden. Manchmal ist es auch schön, sich Optionen offen zu halten (nur für den Fall, dass Peter eventuell seinen besten Freund umbringen sollte).
Schauplätze, die es im realen Leben gibt
Wenn Peter seinen Freund in Hamburg umbringt, dann habe ich viele markante Eigenschaften des Schauplatzes vorgegeben: das Straßennetz, bekannte Gebäude, die Elbe (hey, da haben wir unseren Fluss!). Doch natürlich bleibt einem in den Details noch ein gewisser Handlungsspielraum. Man sollte trotzdem beachten: wenn ein Leser einen Roman kauft, der in Hamburg spielt, so erwartet er auch gewisse, für Hamburg typische Merkmale. Sollte man diese Erwartungen nicht erfüllen, kann es sein, dass der Leser den Roman enttäuscht weglegt.
Wie viele Details sind nötig?
Jedes Haus in einer fiktiven Stadt des Schauplatzes zu kennen ist zwar nicht unmöglich, aber unnötig viel Arbeit. Jedoch sollte man die Orte, an denen sich die Hauptperson häufig und lange aufhält so gut kennen, als wäre man selbst häufig und lange dort. Auch sollte man jegliche Beschreibungen, die man tätigt, genau festhalten. Wenn Peter auf dem Weg zu seinem Freund ist und auf der Hinfahrt durch „eine weite Feldlandschaft“ fährt, auf der „vereinzelt Schafe grasen“, dann sollte er auf dem Rückweg nicht auf einmal an der selben Stelle an einem „riesigen und imposanten Hochhaus“ vorbeifahren. Überspitzt formuliert. Dies scheint selbstverständlich, doch manchmal liegen große zeitliche Intervalle zwischen dem Schreiben einzelnen Passagen oder in der fiktiven Welt sind so viel Zeit und Wörter vergangen, dass man seine erste Beschreibung schlicht vergisst.
Nun hat man schon so viel Zeit und Mühe in seinen Schauplatz investiert, dass man ihn auch möglichst gut und wortreich beschreiben will, damit der Leser genau dasselbe Bild vor Augen hat wie ich, die hier die Geschichte schreibt. Doch denkt dran: oft langweilen ausschweifende Umgebungsbeschreibungen, vor allem, wenn sie nur visuelle Aspekte enthalten (wobei es natürlich auch Beispiele für das Gegenteil gibt, z.B. Herr der Ringe. Auch hier wieder: es gibt keinen goldene Weg oder die eine richtige Lösung). Bei Beschreibungen gilt oft: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Und möglichst nicht nur visuelle, sondern auch taktile, akustische, olfaktorische und gustatorische Informationen in die Beschreibung mit einfließen lassen.
Also:
- so viele Details wie nötig, so wenig wie nötig
- Schauplätze leben durch visuelle, auditorische, taktile, olfaktorische und gustatorische Information
- ein Schauplatz sollte sich an die Geschichte anpassen und den Handelnden alle Möglichkeiten geben
- eine detaillierte Planung des Schauplatzes ist wichtig, um logische und inhaltliche Fehler zu vermeiden!!!
Plant ihr eure Schauplätze im Voraus? Und wenn ja wie? Zeichnet ihr sie, beschreibt ihr sie, sucht ihr Fotos oder nehmt ihr reale Vorlagen? Was haltet ihr von detaillierten Umgebungsbeschreibungen?